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Gedanken zum Umgang mit EB

Häufig liegt der Schwerpunkt der Bewältigung der Diagnose Epidermolysis bullosa anfangs auf den vielfältigen organisatorischen und medizinischen Herausforderungen. Diese bestimmen oft den Lebensalltag. Viel Neues ist zu verstehen, zu lernen und zu meistern. Nicht selten kommt dabei der Aufmerksamkeit für das eigene Befinden, ob als Betroffener oder als Angehöriger, recht kurz und werden eigene Befindlichkeiten zurückgestellt oder beiseitegedrängt. Zu unwichtig erscheinen oft die eigenen Probleme, wenn z.B. das eigene Kind erkrankt ist. 

In den folgenden Texte finden Sie Gedanken oder Anregungen, die Ihnen helfen können, sich dem Thema Selbstfürsorge und seelische Gesundheit zu nähern. Möglicherweise tut es gut, zu erfahren, dass Sie Ihre Gedanken und Sorgen mit vielen anderen teilen und es helfen kann, darüber zu sprechen oder erst einmal zu lesen.

Autorin: Chris Wolf – Diplom-Psychologin

1. Nach der Diagnose

Sie haben vor kurzem die Diagnose Epidermolysis bullosa für Ihr Kind erhalten?

Wie geht es Ihnen aktuell damit?

Vielleicht haben Sie sich unterdessen schon im Internet umgesehen, Sie haben dieses Angebot EB·NetCare gefunden oder von jemandem Empfehlungen dazu erhalten.

Sie tauchen ein in die Welt der Epidermolysis bullosa, der Schmetterlingskinder und Sie finden verschiedene Aspekte, wie etwa, dass man damit leben kann, dass es viele Hilfen gibt. Und Sie finden auch den Aspekt, dass Ihr Leben und vor allem das Leben Ihres Kindes sich mit der Diagnose spürbar ändert.

Wie kann man denn in einer solchen Situation gut mit sich umgehen, gut „klarkommen“?

Ich möchte Ihnen, neben dem Angebot für die Hotline auf EB·NetCare, ein paar praktische Hinweise anbieten.

Vorab: Folgen Sie Ihrem Bauchgefühl und bedenken Sie, dass es essenziell ist, dass Sie für sich selbst sorgen und es Ihnen so gut als möglich geht. Nur dann können Sie emotional gut für Ihr Kind da sein

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Sorgen Sie für sich

Gewiss haben Sie Erfahrung mit emotional belastenden Situationen, z.B. mit Trauer. Spüren Sie nach, was Ihnen früher in einer solchen Situation guttat und was Sie sich ganz aktuell wünschen.

Ist es eher über die Diagnose zu sprechen oder einmal ganz abzuschalten und über etwas anderes zu reden?

Ist es eher Ruhe zu finden, allein oder mit wenigen Menschen oder eher, sich in die Unterstützung vieler lieber Menschen zu begeben und dort fallen zu lassen?

Möchten Sie mit Ihrer Partnerin / Ihrem Partner eher über die Krankheit und Ihre Situation sprechen, gemeinsam nach Informationen suchen und finden und sich auseinandersetzen oder brauchen Sie ruhige, liebevolle Unterstützung? Wenn Sie liebe Menschen aus dem Umfeld anrufen oder ansprechen mit dem Wunsch, Hilfe zu bekommen, was wünschen Sie sich von diesen?

Folgen Sie, soweit das möglich ist, Ihren Bedürfnissen und erklären Sie diese auch anderen. Oft ist das Umfeld einfach hilflos, möchte unbedingt unterstützen und weiß aber oft nicht, wie. Erklären Sie einfach, was für Sie passende Unterstützung im Moment darstellt.

Bauen Sie Energiequellen für sich in Ihren Alltag ein, kleine Dinge, die eben möglich sind, und die zu Ihnen passen, wie Sport, Meditation, Wellness-Aktivitäten. Bevor Sie denken, dass das ganz unmöglich ist, denken Sie kurz nach, was evtl. DOCH geht.

Nur fünf Minuten für sich können wertvoll sein. Tauschen Sie sich mit Eltern in ähnlichen Situationen darüber aus, welche kleinen Energiequellen diese nutzen.

Gespräche mit Familie, Freunden und Bekannten

Manche Gespräche werden schwierig sein, andere geben Ihnen Energie. Fast immer sind Menschen in Ihrem Umfeld überfordert und sie nutzen Aussagen oder Themen, die eher schaden, aber eben „gut gemeint“ sind.

Entscheiden Sie selbst nach Ihrem Gefühl, was Ihnen nutzt und was eher schadet oder einfach Energie zieht. Oft sind es vermeintlich hilfreiche Aussagen wie:

  • Du musst stark sein für dein Kind.

  • Finde Dich damit ab.

  • Das musst Du mal so sehen.

  • Du musst die Ruhe bewahren.

  • Das musst du Schritt für Schritt angehen.

  • Schau, was du tun kannst. Es gibt so tolle Verbandsysteme.

Allen gemeinsam ist, dass hier nicht mit Ihnen, sondern für Sie gedacht wird und das ist oft eher störend und auch bisweilen quälend. Es kann bei Ihnen das Gefühl entstehen, dass alle wunderbar mit einem solchen Thema zurechtkommen, außer Ihnen!

Man kann solche Übergriffe vermeiden.

Sagen Sie Ihrem Gesprächspartner „einfach“, was Sie brauchen - z.B.: „Ich brauche gerade keine praktischen Tipps, sondern möchte einfach nur mal traurig sein dürfen.“ oder: „Ich muss gar nichts so oder so sehen. Meine Welt hat sich soeben arg verändert und ich brauche Zeit. Es hilft mir nicht, wenn Du mir sagst, wie ich das sehen soll. Es würde mir eher helfen, wenn Du mit mir gemeinsam betroffene Eltern suchst und wir mit denen mal reden.“ Das sind natürlich nur einige Beispiele.

Austausch

Sehr wertvoll kann es sein, zu hören, wie andere mit genau dieser oder einer sehr ähnlichen Situation umgingen. Wenn Sie das anspricht, wenn Sie das Gefühl haben, dass ein solcher Austausch gut für Sie ist, dann suchen Sie solche Menschen gezielt.

Oft ist es hilfreich, wenn es Menschen sind, die Sie bislang noch nicht kannten. Sie werden finden, dass Sie nicht alleine sind und dass Sie das auch schaffen können. Sie werden ein wenig Zuversicht finden und sehr viel Verständnis durch das gemeinsame Schicksal.

Unterstützungssystem

Vermutlich werden einige Menschen für Sie in Zukunft ein Unterstützungssystem darstellen. Es wird aus medizinischen Laien (Freunde, Bekannte etc.) und Experten bestehen. So wird u.a. sicherlich Ihre Kinderärztin / Ihr Kinderarzt eine wichtige Rolle spielen. Suchen Sie diese Personen, v.a. die Experten, nach guten Kriterien aus. Es sollten unbedingt Ihre eigenen Kriterien sein.

Hier ein paar Beispiele als Anregung:

  • Ist die Person gut zu erreichen und ansprechbar, wenn sie gebraucht wird?

  • Fühlt sich Ihr Kind mit dieser Person wohl? Fühlen Sie sich mit dieser Person wohl? Fühlt sich Ihre Partnerin / Ihr Partner mit dieser Person wohl?

  • Fühlen Sie sich nach Konsultation dieser Person häufig besser?

  • Haben Sie in fachlicher Hinsicht Vertrauen zu dieser Person?

  • Geht diese Person gut mit Ihren Fragen und auch mit gelegentlichen Zweifeln um?

Zuversicht

Zukunftssorgen helfen letzten Endes niemandem. Sie wissen heute nicht, wie es Ihrem Kind oder Ihnen in ein paar Jahren gehen wird. Dennoch sind Ängste und Sorgen natürlich psychische Realität und bedeutsam.

Lassen Sie sie zu und finden Sie eine gute Balance aus Sorgen und dennoch Zuversicht. Das ist eine Lebensaufgabe, die jeder Mensch hat. Suchen Sie professionelle Unterstützung, wenn die Ängste und Sorgen allzu sehr überwiegen und Sie das Gefühl haben, dass Sie der Situation allein nicht gewachsen sind.

2. Das schlechte Gewissen – nützlich oder plagend?

Wenn Sie ein Kind mit einer Besonderheit wie Epidermolysis bullosa haben, dann kennen Sie das „schlechte Gewissen“ zur Genüge. Sie kennen es im Übrigen auch mit jedem anderen Kind. 

Es gaukelt Ihnen vor, dass Sie etwas falsch gemacht haben, zu viel oder zu wenig zum Beispiel. Sie hätten diese oder jenes besser machen können und das macht nun ein schlechtes Gewissen! 

Ihr Kind hatte etwas mehr Beschwerden beim Verbandswechsel? Es hat sich ein kleines bisschen verletzt beim vorsichtigen Herumtoben? Es hätte etwas weniger Freiraum besser vertragen! Oder etwas mehr Freiraum! Ihr schlechtes Gewissen reagiert sofort und deutlich und gaukelt Ihnen prompt vor, dass Sie „daran schuld“ sind. Sie sind „daran schuld“, was nun wieder passiert ist, so könnten Sie denken und Sie beginnen immer mehr über Ihre Verantwortung nachzudenken. Und so schieben Sie sich viel zu viel Verantwortung zu und das quält. 

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Man denkt sich an dem Thema Verantwortung und schlechtes Gewissen fest - so nenne ich das anschaulich. 

Nicht selten ist das allgegenwärtige schlechte Gewissen ein überaus lästiger Quälgeist. So nennt Maja Storch es im Titel ihres Buches zu dem Thema. (Storch, M. und Roth, G. (2021): Das schlechte Gewissen – Quälgeist oder Ressource? Neurobiologische Grundlagen und praktische Abhilfe, Hogrefe). 

Wie geht es Ihnen denn damit? Empfinden Sie Ihr Gewissen überwiegend als nützlich oder als Quälgeist? 

Insbesondere in der Zeit, in der Sie sich mit der Diagnose auseinandersetzen und schließlich arrangieren, kann das schlechte Gewissen ein Thema sein. Sie können ja nicht gut für sich selbst sorgen, z.B. sich eine winzige Auszeit gönnen, weil Sie dann ein schlechtes Gewissen gegenüber Ihrem Kind hätten. Oder gegenüber Ihrem Partner oder sonstigen Familienmitgliedern. Sie können sich schlecht um andere essenzielle Themen kümmern, da Sie dann ein schlechtes Gewissen hätten? Sie kommen kaum zur Ruhe wegen des „Quälgeistes“? 

Ebenfalls aus dem Buch von Frau Storch stammt der Vergleich, dass sich ein solches Gewissen ein wenig anfühlt wie ein Tinnitus – ein immer vorhandenes störendes Hintergrundrauschen. Problematisch dabei ist, dass Ihnen das Gewissen, welches an sich ja nützlich sein sollte, immer mehr Energie rauben kann. Und Sie geraten in Gedankenkreisläufe, die sich beinahe so anfühlen, als seien Sie, wenn schon nicht an allem Schuld, dann doch wenigstens für viel zu viel verantwortlich. Und diese Last kann einfach groß sein, bisweilen zu groß. 

Wenn Sie mögen, dann nutzen Sie unsere Angebote wie die Hotline oder den Chat, um dieses Thema einmal mit anderen Eltern oder auch mit einer Psychologin zu besprechen. Unschlagbar ist natürlich der Austausch mit Menschen, denen es genauso geht wie Ihnen! 

Ein paar kurze Hinweise, wie Sie aus dem schlechten Gewissen eine nützliche Variante machen können: 

  • Stellen Sie sich die Frage: Wie nützlich ist das für Ihr Kind, wenn Sie gedanklich am schlechten Gewissen hängen? Wie nützlich ist es für Ihre ganze Familie? 

  • Stellen Sie sich die Frage: Wie nützlich ist eine gedankliche Endlosschleife für Ihre Regenerationsfähigkeit, für Ihren Energiehaushalt? 

  • Entwickeln Sie größere Aufmerksamkeit für Ihr Gewissen: Stellen Sie am Handy einen Timer auf einige über den Tag verteilte, zufällige Signale ein. Immer, wenn der Timer piept, gehen Sie in eine kurze Diskussion mit Ihrem Gewissen – wie geht es dem in diesem Moment? Laut, schlecht, quälend oder nützlich? 

  • Thematisieren Sie dies mit Ihrem Partner oder anderen Menschen, die Ihnen nahestehen und Sie unterstützen. Schauen Sie einmal gemeinsam Ihre Ansprüche und Ihre Erwartungen an sich selbst an: Sind diese realistisch? Wie können Sie diese realistischer gestalten? Wo können Sie ggf. Unterstützung erhalten? 

  • Erwägen Sie ein Abbruchsignal für sich selbst, wenn Sie in einem Gedankenkreislauf (z.B. zum schlechten Gewissen) hängen. Sie können z.B. in einem solchen Fall kurz aufschreiben, was Sie beschäftigt (oder eine Sprachnachricht verfassen, wenn das Aufschreiben zu viel Zeit fordern würde) und befassen Sie sich nach einer von Ihnen definierten Pause noch einmal damit. Füllen Sie die Pause mit etwas, was Sie ablenkt, was Ihnen Freude macht – am besten etwas, was Ihnen und Ihrem Kind Freude macht! 

3. Umgang mit Schmerzen Ihres Kindes

Ihr Kind hat Schmerzen und Sie müssen das mit-ertragen, mit ansehen. Ich stelle mir das unendlich schwierig vor. Es gibt viele hilfreiche Tipps zum gelingenden praktischen Umgang, zum „guten“ Gestalten des Verbandswechsels, auch hier unter Wundversorgung und Verbandswechsel. Aber wie kann man dies verkraften, verarbeiten? Wie kann man das emotional aushalten? Und wie kann man dem Kind gegenüber „gut“ damit umgehen?

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Mitfühlen

Man fühlt intensiv mit, wenn ein Kind Schmerzen zeigt, z.B. bei einem Verbandswechsel oder aber in der Phase der Angst vor dem Verbandswechsel. Das ist emotional dicht und bewegend und es ist menschlich wertvoll. So kenne ich z.B. aus Gesprächen mit Patienten und Angehörigen Weniges, was Menschen als verbindender beschreiben als die sichtbare oder weggeblinzelte Träne, während man sich zu einem schweren oder traurigen Thema austauscht. 

Das Sehen des Anderen, das Wahrnehmen, wie es dem Kind geht und wie es empfindet, ist ein Wert an sich und bedeutungsvoll. 

Praktischer Tipp: Zeigen Sie dem Kind, dass Sie mitfühlen und sprechen Sie darüber. Finden Sie jedoch eine gute Balance und „baden“ Sie nicht gemeinsam im Mitgefühl und im Schmerz. Das hilft keinem und macht Ihr Kind schwach. Natürlich ist es sehr schwierig, hier eine gute Balance zu finden.

Stark machen und mitfühlen - wie kann man das erreichen?

Was heißt das Anderssein für das Kind? Eltern und andere Helfer und Freunde versuchen, dem Kind eine möglichst „gute“, also hilfreiche Emotionalität zu vermitteln und das ist eben nicht nur das (Dauer-)Mitfühlen, sondern darüber hinaus emotionale Anteile, die das Kind stark machen, ihm erlauben, trotz des Schmerzes Autonomie zu entwickeln und zu lernen, immer kompetenter mit dem Schmerz umzugehen. Mitfühlen und damit sich emotional intensiv mit dem Leid befassen, macht nicht stark, sondern setzt den Fokus auf den Schmerz. 

Allerdings ist es im Alltag nicht einfach, so mit dem eigenen Gefühl umzugehen, dass es für das Kind und für einem selbst langfristig gesund und hilfreich ist. In diesem Text möchte ich Ihnen einige Gedanken dazu anbieten. Wie immer ist die beste praktische Unterstützung, sich dazu mit anderen Betroffenen auszutauschen.

Authentizität

Emotionen sind selten klar und einfach, außer vielleicht in Vorabendserien im TV. Meist empfindet man mehreres gleichzeitig und das dürfen Kinder auch miterfahren und lernen. Sie fühlen die Schmerzen mit, und das belastet Sie und gleichzeitig möchten Sie Ihr Kind unbedingt stärken, so könnte ein Beispiel für den Emotionsmix lauten. Es passiert beides gleichzeitig: Sie möchten das Kind stark machen, Sie leugnen aber nicht den Schmerz. So komplex ist es, leider.  Wichtig ist dabei, dass Sie authentisch bleiben, dass Sie Ihre Gefühle aufrichtig und kindgerecht erklären, wenn das Kind fragt. Emotionale Unaufrichtigkeit spüren Kinder schnell und präzise und dadurch wird Kommunikation sehr erschwert!

Praktischer Tipp:  Versuchen Sie, altersangemessen so gut wie möglich zu beschreiben, wie Sie empfinden, wenn Ihre Empfindungen Thema sind. Bleiben Sie authentisch und bei sich in der Beschreibung und erklären Sie auch, dass Sie alles tun möchten, um Ihr Kind zu unterstützen. 

Stärken aus dem „bei sich sein“

Nutzen Sie Ihre eigene Energie, um Ihr Kind zu stärken. Wenn Sie „bei sich sind“, wenn Sie mit sich im Reinen sind und das, was getan werden muss, mit der besten Energie angehen können, dann helfen Sie dem kleinen Kerl oder der jungen Dame am besten. 

Praktischer Tipp: Eventuell helfen Ihnen dabei Mentaltechniken wie Entspannungsverfahren oder kleine Meditationen oder Ähnliches. Bitte sprechen Sie mich an, wenn Sie sich hier konkrete Tipps wünschen. Es gibt sehr viele verschiedene Möglichkeiten und mit ganz wenig Aufwand kann man hier viel bewirken.  Wenn Sie stark und „in Ihrer Energie“ sind, dann ist das eine große Hilfe und Orientierung für Ihr Kind. Und das kann man nicht spielen. Dazu gehört auch, dass Sie auf Ihr Energieniveau achten und schauen, dass es Ihnen gut geht. 

Emotion sehen und nicht bewerten

Ihr Kind hat vielleicht Angst vor dem Schmerz beim Verbandswechsel oder es ist frustriert, weil es sich immer wieder Schmerzen zuzieht, oder es ist einfach traurig, weil es eben Manches nicht schmerzfrei tun kann. Lassen Sie diese Empfindungen bei Ihrem Kind, ohne sie zu bewerten oder verändern zu wollen. Nehmen Sie sie wahr und ernst und sprechen Sie sie an, wenn es in die Kommunikation passt. Also: „Ach Mensch, Du hast total Angst und auch einfach keine Lust auf den Verbandswechsel, ja? Es nervt total, oder?“ anstatt „Ja, Du brauchst keine Angst zu haben und das Aufregen bringt ja auch nix.“. Wir sind leider sehr schnell dabei, wenn es darum geht, Emotionen zu bewerten und das ist nie hilfreich. Die Gefühle Ihres Kindes gehören zu ihm und wir dürfen sie „sehen“ und vielleicht kommentieren, nicht aber bewerten und durch Diskussion zu ändern versuchen. Nicht selten hilft es, wenn man über diese Empfindungen sprechen kann – das geht auch Kindern so. 

Praktischer Tipp: Stellen Sie sich die Emotionen Ihres Kindes wie ein kostbares Kunstwerk vor, welches Sie sehen dürfen. Dies kann eine Ballade sein oder ein Blues… und Sie schauen dies nur an, Sie bewerten oder verändern aber nicht! So, als würden Sie ein Gemälde oder eine Bastelei Ihres Kindes ansehen und kommentieren. Dies würden Sie ja auch nicht kritisieren oder „falsch“ finden …

Emotion steckt an (und wird in der Erinnerung eng mit der Situation verknüpft)

Wie soll Ihr Kind sich, wenn es einmal erwachsen sein wird, an die Momente der Schmerzen erinnern? Wie soll es sich selbst in der Auseinandersetzung mit dem Thema sehen? Ihre Emotionalität (zumindest ein Anteil) kann hier anstecken und stärken und etwas Gelassenheit bringen, genauso wie Anteile von Hysterie oder Peinlichkeit oder übertriebener Sorge oder vom „Klein machen“ und nichts zutrauen können. Ganz unangenehm ist die Forderung nach „Tapferkeit“, aber das bedarf vermutlich keiner Erwähnung. Welche ansteckenden Momente möchten Sie liefern? Hier können Sie Ihrem Kind wirklich über schwierige Momente hinweghelfen. 

Praktischer Tipp: Je nach Alter sind spielerische Momente so hilfreich, Heldenfiguren aus Bilderbüchern, aus Film und Fernsehen oder Comics oder Computerspielen oder andere Charaktere, die für Ihr Kind passen. Dies wird sich je nach Alter ändern, achten Sie unbedingt darauf, dass Sie nichts „Kindisches“ nutzen. Achten Sie darauf, dass Sie die Emotionen erzeugen, an die sich Ihr Kind erinnern soll und wird.

Autonomie zulassen

Ihr Kind wird älter und es entwickelt genau wie andere Kinder den Drang nach mehr Freiheit. Es möchte mehr ausprobieren und selbst entscheiden dürfen, und das ist bei „Schmetterlingskindern“ für Sie als Eltern einfach noch schwerer zuzulassen. Jede kleine falsche Entscheidung, jedes Wagnis von Handlungen, die für andere Kinder normal sein mögen, kann für ihr Kind eben noch mehr Schmerz bedeuten, und das wissen Sie natürlich und Sie sehen hier vieles voraus, was dennoch passieren wird. Es ist unfassbar schwierig und dennoch notwendig, hier eine gute Balance zu finden aus „ein wenig mehr aufpassen“ und dennoch „Autonomie zulassen, nicht vereinnahmen und klein machen“.

Der beste praktische Tipp: Die beste Hilfe für Sie wird darin bestehen, dass Sie sich mit Menschen austauschen, die Sie hier verstehen können. Das sind gewiss in erster Linie andere Eltern, andere Betroffene. 

Wenn Sie ein Gespräch mit mir wünschen, können Sie unsere Hotline nutzen. 

4. Vom Selbstbild

Lieber Lesender, Sie sind ein EB-Patient? Demnach leiden Sie an Epidermolysis Bullosa und dass möglicherweise schon ihr ganzes Leben lang. 

Was heißt das für Ihr Selbstbild? Sind Sie vorwiegend ein „Schmetterlings-Erwachsener“, oder sind Sie ein Mensch wie jeder andere, der eben zusätzlich EB als Besonderheit aufweist? Ein EB-Patient oder ein Mensch mit EB?

In diesem Text möchte ich Ihnen Diskussionsfragen anbieten zum Umgang mit Ihrer Erkrankung einerseits, andererseits eben auch zu der Frage, was die EB für Sie bedeutet. Sie können diese einfach selbst zur inneren Diskussion nutzen oder mit einer Person Ihres Vertrauens diskutieren. 

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Vermutlich variiert das, was Sie antworten (würden). Es wird gute und schlechte Tage geben, solche voller (berechtigten) Selbstmitleides und solche, an denen Sie denken, dass andere „durchschnittlichere“ Menschen im Grunde dieselben Sorgen haben wie Sie.  

Wer sind Sie denn? Oder, wenn Sie Eltern eines EB-Kindes sind, wer wird Ihr Kind sein oder sein können?

In der Persönlichkeitspsychologie taucht gelegentlich eine einfache sprachliche Form auf, die wir einmal näher für Sie persönlich betrachten wollen. 

JEDER Mensch ist in gewisser Hinsicht wie
ALLE anderen Menschen, wie
EINIGE andere Menschen und wie
KEIN anderer Mensch. 

Kluckhohn und Murray, 1953 

Quelle: (Kluckhohn, C., & Murray, H. A. (1953). Personality Formation: The Determinants. In C. Kluckhohn, H. A. Murray, & D. M. Schneider (Eds.), Personality in Nature, Society, and Culture (2nd ed., pp. 53-69). New York, NY: Alfred A. Knopf.)

Fangen wir einmal vom Ende her an! In welcher Hinsicht sind Sie persönlich wie kein anderer Mensch?

Da wird Ihre EB einen wesentlichen Beitrag leisten - Sie werden manche Dinge, die für Andere selbstverständlich sind, nur eingeschränkt tun können und Sie werden möglicherweise einen anderen Alltag haben. Dies sind nur zwei Beispiele dessen, was einzigartig sein wird. Sie haben jedoch auch einzigartige Erfahrungen, auch in Ihrer Kindheit, gemacht. Sie haben sich diese nicht gewünscht oder ausgesucht, aber dennoch haben diese Erfahrungen Sie natürlich geprägt. Vielleicht mögen Sie einmal in Ruhe über folgende Fragen nachdenken oder diese mit einer Vertrauensperson besprechen:

  • Was ist das „Gute vom Schlechten“, also welche positiven Nebeneffekte hat Ihre EB Ihnen eingebracht? 

  • Welche Gedanken beobachten Sie bei sich, die Sie anderen möglicherweise wünschen?

  • Über welche Themen denken Sie nach, während diese für andere Menschen möglicherweise ganz selbstverständlich sind?

  • Welche Aspekte sind in Ihrem Leben wirklich ganz einzigartig und wie fühlen sich diese an?

  • Inwieweit gehen Sie vielleicht anders mit Zuversicht und Zukunftsängsten um als andere? 

  • Inwieweit können Sie Ihre Besonderheit „EB“ ganz als „Is so!“ (´kurz für: „Das ist eben so.“) akzeptieren und inwieweit hadern Sie mit Ihrem Schicksal?

  • Über welche Themen können Sie nur schwer mit anderen sprechen? 

  • Daneben gibt es jedoch andere, vielleicht wichtigere Aspekte, in denen Sie ganz einzigartig sind. 

In welcher Hinsicht sind Sie denn wie einige andere Menschen? Hier kann man „einige andere Menschen“ finden, die z.B. Persönlichkeitsmerkmale teilen (wie z.B. Intro- und Extraversion) oder Interessen, die Sie sehr prägen (wie z.B. Freude an Kunst und Literatur). Wichtig für Sie sind vermutlich auch „einige andere Menschen“, die Ihre Besonderheit „EB“ teilen. Mit diesen Menschen können Sie über vieles reden, was andere vielleicht nicht so schnell und gut verstehen, weil sie einfach nicht denselben Erfahrungsschatz haben.  Auch hier möchte ich Ihnen einige Fragen anbieten und vermutlich fallen Ihnen selbst viele weitere Diskussionspunkte ein.

  • Ganz intuitiv: Was ist denn einzigartig an Ihnen und den anderen aus der EB-Community? Was können nur Sie, aber andere Menschen nicht verstehen und besprechen?

  • Inwiefern fühlen Sie sich mit diesen Menschen besonders wohl (oder unwohl) und in welchen Situationen?

  • Welche Eigenschaften dieser Community wünschen Sie eigentlich allen Menschen?

  • Welche Hoffnungen und Sorgen teilen Sie? 

  • Was können Sie nur mit diesen Menschen besprechen?

  • Was würden Sie „allen anderen Menschen“ gerne einmal dazu mitteilen?

Und dann sind Sie in vielerlei Hinsicht einfach wie „alle anderen Menschen“. Sie haben die gleichen Sorgen und Nöte, Hoffnungen und Motive und Themen, die Sie beschäftigen. Wenn Sie sich verlieben, dann fühlt sich das genauso furchtbar verwirrend und euphorisierend und seltsam und wunderbar an wie bei anderen Menschen. Wenn Sie z.B. um einen geliebten Menschen trauern, dann fallen Sie genauso wie andere in ein tiefes schwarzes Loch der unfassbaren Schwere und Traurigkeit. Sie werden genauso auf einen erfüllenden, sinnhaften Beruf hoffen und Sorge vor der Zukunft haben.  Diese Liste lässt sich wiederum beliebig fortsetzen. Sie sind selbstverständlich in vielerlei Hinsicht, wie jeder andere Mensch, ein ganz normales menschliches Wesen.

Auch an dieser Stelle möchte ich Sie einladen und anregen nach innen zu schauen und habe für den Start eine kleine Auswahl für Ihr Nachdenken oder Ihre Diskussion mit einer passenden Person zusammengestellt:

  • In welcher Hinsicht sind Sie genauso wie alle anderen Menschen? 

  • In welchen Bereichen ziehen Sie Kraft oder Trost daraus, dass Sie genau wie alle anderen Menschen sind? (So erfahren z.B. Teenies oft recht erstaunt, dass das, was sie als Verliebtheit völlig verwirrt, eigentlich ganz normal ist und dass das so ziemlich jeder kennt. Ein großer Teil an Popsongs handelt genau davon, dass man hier möglicherweise Kraft daraus zieht, dass andere dies verstehen können, auch wenn es sich so unfassbar einzigartig anfühlt.)

  • In welchen Bereichen sind Sie genau wie alle Menschen und es ist dennoch schwierig, dies zu leben? Das könnten sehr körperliche Themen sein, wie z.B. Sexualität oder auch Mode und Sport. Inwieweit ist es möglich, hier Wege zu finden, dies zu leben?

Wenn Sie an Ihr Selbstbild denken, wie stark ist dies von EB geprägt? Haben Sie EB oder hat die EB Sie? Das mag eine plakative Formulierung sein, die man häufiger hört, dennoch traue ich mich, die Frage hier einzubauen. 

Wie sehr sind Sie ein Mensch wie alle anderen? Sie sind nicht „trotz der EB“ eine tolle Frau oder ein toller Mann, sondern Sie sind eine tolle Frau oder ein toller Mann. Die EB ist nicht das, was Sie ausmacht, sondern Ihre Persönlichkeit, Ihre Erfahrungen, Ihr Umgang mit sich selbst und anderen und Ihre Gedanken und Werte. Sie sind eben kein Durchschnitt und das trifft wiederum auf die meisten Menschen zu. 

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