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Umgang mit Schmerzen

Wenn das eigene Kind an chronischen Schmerzen leidet, ist das für Eltern sehr belastend und oft fühlen sich Eltern und Angehörige hilflos und überfordert. Diesen chronischen Schmerzen steht man aber nicht zwangsläufig hilflos gegenüber. Es gibt viele, sehr hilfreiche Möglichkeiten, Schmerzen zu vermeiden, positiv zu beeinflussen und sie erträglicher zu machen.

1. Umgang mit Schmerzen

Das Thema Schmerz ist bei Menschen mit Epidermolysis bullosa vor allem eng verknüpft mit dem Verbandwechsel. Und sowohl für Betroffene selbst, für Eltern und auch deren Kinder entsteht durch diese Erfahrung auch das Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht. Aber Schmerzen sind keine rein körperliche Wahrnehmung. Gedanken und Gefühle, sowohl des Kindes als auch der Pflegenden, spielen bei der Wahrnehmung der Schmerzen eine große Rolle. Dementsprechend kann die Schmerzwahrnehmung durch eine positive Einstellung auch positiv beeinflusst werden.

Bei negativen Emotionen entstehen bereits vor der Prozedur des Verbandwechsels Anspannung, Ängste und Aversionen auf beiden Seiten. Diese beeinflussen den Verbandwechsel und die auftretenden Schmerzen erheblich und verursachen wiederum eine Verstärkung der negativen Emotionen.

Eine gute Zeitplanung ist sicher ganz zentral: Hektik und innere Unruhe übertragen sich auf das Kind und führen auch bei diesem zu Unruhe, Verspannung und Angst und verstärken so die Schmerzwahrnehmung.

Wie schafft man es nun aus diesem Teufelskreis „Schmerz“ herauszukommen?

2. Schmerzen verstehen

Schmerz ist immer ein ernstzunehmendes, individuelles und komplexes Empfinden und sollte stets so angenommen und akzeptiert werden, wie es vom Betroffenen wahrgenommen bzw. geäußert wird.

Bei der Epidermolysis bullosa unterscheiden wir zwischen akuten und chronischen Schmerzen. Für das Verständnis wann und warum Schmerzen auftreten und wie man diese behandeln kann, ist es sinnvoll, diese beiden Schmerzarten zu unterscheiden.

Akute Schmerzen

Das sind Schmerzen, die wir alle kennen: nach einer Verletzung, wenn der Zahn oder der Bauch weh tun, wenn wir eine Wunde haben, uns an der heißen Herdplatte verbrennen oder das Wasser zu heiß ist und wir uns verbrühen. Der akute Schmerz hat die Funktion, uns zu warnen und zu schützen. Insofern hat Schmerz eine sehr wichtige Funktion und hält für eine begrenzte Zeit während eines Verletzungs- oder Krankheitsgeschehens an.

Schmerzen auf Grund von Wunden bei der Epidermolysis bullosa sowie beim Verbandwechsel sind somit erst einmal akute Schmerzen.

Chronische Schmerzen

Wenn akute Schmerzen aber lange anhalten oder in kurzen Abständen immer wieder auftreten, dann kann sich der Schmerz „selbstständig“ machen und es bildet sich ein sog. Schmerzgedächtnis (Schmerzstörung als eigenständiges Krankheitsbild) aus.

Der „biologische“ Anteil der Schmerzentstehung besteht darin, dass sich neue Zellverbindungen im Gehirn bilden und der Schmerz dort abgespeichert wird. So, wie sich unser Gehirn an viele Dinge erinnern kann, die wir gelernt und erlebt haben, kann es sich nun auch an den Schmerzen „erinnern“ – aber es kann keine Unterscheidung zum akuten Schmerzen machen.

Dann treten Schmerzen auch ohne äußere Reize, Verletzungen oder Erkrankungen auf und sind völlig unabhängig. Diese Schmerzen erfüllen keine Funktion mehr.

Neben dem „biologischen“ Anteil gibt es aber auch einen „psychologischen“ Anteil der Schmerzentstehung. Das sind Gedanken und Gefühle, die mit den Schmerzen verbunden sind. Bestimmte Gedanken (z.B. "der Schmerz geht nicht mehr weg") oder Gefühle wie Angst und Hilflosigkeit verstärken die Aufmerksamkeit auf den Schmerz und so das Schmerzgedächtnis.

Und so entsteht der Teufelskreis des Schmerzes, den es zu durchbrechen gilt.

Wie Sie vielleicht schon bemerkt haben, können Schmerzen auf Grund einer Epidermolysis bullosa sowohl akuter, als auch chronischer Natur sein. Bei einem Fortschreiten der Erkrankung ist daher auch mit einer Kombination aus beidem zu rechnen.

Darauf sollte die Schmerzbehandlung bei EB abgestimmt sein.

Schmerzbehandlung

Akute Schmerzen werden, wenn dies vom behandelnden Arzt/Ärztin als sinnvoll angesehen wird, mit den typischen Schmerzmedikamenten (NSAR, COX2-Hemmer, Opioide) behandelt. Häufig werden diese speziell für den Verbandwechsel verordnet und rechtzeitig vorher verabreicht.

Ziel der Therapie ist aber oft nicht nur die Verringerung der akuten Schmerzen während des Verbandswechsels, sondern auch die Vermeidung der Entstehung chronischer Schmerzen.

Häufig machen sich Eltern Sorgen, wenn die Gabe von starken Schmerzmitteln, insbesondere bei kleinen Kindern, angeordnet wird. Das ist verständlich, aber zur Vermeidung der Entstehung chronischer Schmerzen ist eine ausreichende medikamentöse Schmerzbehandlung sehr wichtig. Besprechen Sie Ihre Bedenken ausführlich mit dem behandelnden Arzt/Ärztin.

Chronische Schmerzen werden hingegen medikamentös ganz anders behandelt, weil es hier nicht um die Reduktion eines lokalen Schmerzes geht, sondern die Schmerzentstehung im Gehirn beeinflusst werden soll.

Die Behandlung der Schmerzen hört aber nicht bei der Behandlung der „körperlichen“ Anteile auf. Der „psychologische“ Anteil hat – wie schon erwähnt – einen großen Einfluss auf diese Schmerzen und damit können Sie selbst viel Positives bewirken.

Es ist enorm wichtig, die Schmerzmedikation genauso, wie Sie vom behandelnden Arzt/Ärztin angeordnet wird, zu verabreichen. Manche Schmerzmittel wirken nur deshalb zuverlässig, weil sie in einer bestimmten Regelmäßigkeit verabreicht werden. Ein selbständiges Auslassen von Medikamenten ist dann nicht hilfreich.

3. Schmerzvermeidung

Die Vorbereitung des Verbandwechsels spielt eine wichtige Rolle bei der Vermeidung von Schmerzen. Neben der räumlichen Vorbereitung kann auch die eigene innere Einstellung hier einen großen Unterschied machen.

Schon kleine Maßnahmen können helfen, den Verbandwechsel angenehmer zu machen und Schmerzen zu reduzieren.

Folgende Maßnahmen helfen zur Vorbereitung:
  • Legen Sie die Verbandmaterialien und Utensilien schon vorher bereit und schneiden Sie evtl. schon jetzt die Verbände zu. Das ermöglicht einen reibungslosen Verbandwechsel und Sie können sich währenddessen ganz auf Ihr Kind konzentrieren.

  • Wärmen Sie Wundspüllösungen, Handtücher und Cremes vor (Kälte kann eine Schmerzwahrnehmung fördern).

  • Schließen Sie die Fenster, um Zugluft zu vermeiden und temperieren Sie den Raum angenehm (wenn das Kind nackt und feucht ist, wird die eine normale Raumtemperatur in der Regel als kühl empfunden).

  • Legen Sie die Badewanne mit Handtüchern aus und lassen das Wasser gut temperiert einlaufen.

  • Informieren Sie Ihr Kind schon jetzt, damit es sich innerlich auf den Verbandwechsel vorbereiten kann und evtl. Begonnenes zu Ende führen kann. Die rechtzeitige Gabe von Schmerzmitteln ist, wie bereits erwähnt, wichtig.

  • Sorgen Sie für eine angenehme Atmosphäre – für das Kind und für sich selbst (z.B. Musik, Düfte, Beleuchtung etc.)

Was können Sie für sich als Pflegende(r), als Mutter oder Vater tun?
  • Schaffen Sie sich innerlich Raum und Zeit für den Verbandwechsel (feste, vorab vereinbarte Tageszeiten können allen Beteiligten helfen, eine positive Routine zu schaffen).

  • Stoppen Sie bewusst negative Gedanken. Etablieren Sie positive Gedanken und Glaubenssätze (eine kurze Meditation, eine Selbsthypnose oder Atemübungen sind dafür sehr geeignet).

  • Legen Sie bei der Vorbereitung Ihre Lieblingsmusik auf und singen Sie gern mit.

  • Beziehen Sie Ihr Kind in die Vor- und Nachbereitung und in den Verbandwechsel mit ein. Manches kann Ihr Kind schon bald ganz selbständig übernehmen.

  • Holen Sie sich Unterstützung: zum Verbandwechsel - zum Reden - zum Lernen.

  • Und zu guter Letzt: Belohnen Sie danach Ihr Kind und sich selbst!

4. Verbandwechsel und Schmerzkontrolle

Was Ihnen bei der Vorbereitung hilft, in eine positive Routine zu kommen, hilft auch Ihrem Kind beim Verbandwechsel. Und so ist bereits Ihre positive Ausstrahlung, die frühzeitige Ankündigung des Verbandwechsel, eine schöne Musik und angenehme Gerüche eine hilfreiche Grundlage, möglichst entspannt zu starten.

Wichtig ist es auch für Ihr Kind, positive Gedanken und Gefühle zu etablieren und sich abzulenken.

Ablenkungsideen
  • Ein Lieblingszeitvertreib aus alten Tagen: Ich sehe was, was Du nicht siehst und das ist … (rot - grün - blau?)

  • Beliebt bei Kindern und Erwachsenen: Ich packe meinen Koffer und nehme mit … (den Teddy - die Puppe - das Lieblingsbuch)

  • Erwecken Sie mit Ihrem Kind einen ihm vertrauten Helden, in dessen Rolle es schlüpfen kann, um z. B. Superkräfte zu entwickeln

  • Nenne 5… Geräusche, die Du hörst / Gerüche, die Du riechst / Lieblingsspeisen und -getränke / Farben, Figuren, Familienmitglieder, die Du magst usw.

  • Badewannenspielzeuge oder -spritztiere sorgen für Spaß im Wasser und lenken ab

  • Wer singt hat keine Angst. Singen (und auch Lachen) fördert die Bildung von Glückshormonen und das reduziert Schmerzen. Und wenn Ihr Kind noch nicht singen kann, tun Sie es. Das lenkt ab und beruhigt.

  • Geschwister im Raum können hilfreich sein. Sie geben ein Gefühl des Vertrautseins, lenken ab und helfen vielleicht bei kleinen Handgriffen.

  • Und heute überaus beliebt: Laptop und Tablets. Ein Comic oder Kinderfilm, Musik oder Hörspiel sind wunderbar geeignet, um für Ablenkung zu sorgen.

Die Liste können Sie sicherlich unendlich verlängern und bestimmt hat Ihr Kind auch noch eine ganze Menge Ideen. Schreiben Sie diese gern auf, so dass Sie vor jedem Verbandwechsel aus einer Reihe von Ideen wählen können.

Während bei sehr kleinen Kindern Ablenkung meist eher passiv erfolgt, kann man größere Kinder einbeziehen und den Ablauf des Verbandwechsels aktiv gestalten lassen. Das gibt Vertrauen, Sicherheit und Selbstkontrolle und hilft auch bei der Schmerzwahrnehmung.

Ältere Kinder in den Verbandwechsel einbeziehen:
  • Planen Sie den Verbandwechsel mit dem Kind zusammen (Uhrzeit, Vorbereitung, Durchführung).

  • Beziehen Sie Ihr Kind in den Verbandwechsel mit ein. Tätigkeiten, die Ihr Kind selbst ausführen kann (Entfernen der Wundverbände, Auftragen von Cremes, Öffnen von Blasen etc.) sollte es zunehmend übernehmen.

  • Die Kontrolle übernehmen ist eine wichtige und hilfreiche Erfahrung. Das reduziert das Gefühl des Ausgeliefertseins und der Angst und stärkt das Selbstbewusstsein. Wenn Ihr Kind selbst mitplanen darf, den Verbandwechsel mitmacht, aber auch „Stop“ sagen kann, wenn es nicht mehr geht, erlebt es das Gefühl von Kontrolle und Selbstwirksamkeit.

  • Auch bei den „Großen“ hilft Ablenkung: gemeinsam Singen, Ratespiele, Denkaufgaben und vieles mehr.

  • Und zu guter Letzt auch hier: Sorgen Sie für etwas Positives danach, belohnen Sie Ihr Kind, lassen Sie es sich selbst belohnen oder planen Sie schon während des Verbandwechsels etwas Schönes für danach.

Positive Gedanken und Gefühle

Natürlich gelingt es nicht immer, durch eine positive Atmosphäre, durch eine gute Vorbereitung und Ablenkung Ihrem Kind die Schmerzen „vergessen zu machen“. Schmerzerfahrungen aus den vorangegangenen Verbandwechseln können sicherlich auch Stress, Ängste oder gar Panik bei jedem neuen Verbandwechsel auslösen.

Hier braucht es sehr viel Einfühlungsvermögen und Erfahrung der Eltern, mit solchen Situationen umzugehen. Kinder benötigen in solchen Situationen das Gefühl, dass Ihnen geholfen wird, dass sie vertrauen können und egal was ist – geliebt werden.

Und was Ihnen in der Vorbereitung selbst geholfen hat, hilft jetzt auch Ihrem Kind: Zeit und Ruhe, die Lieblingsmusik Ihres Kindes und … was Sie bereits intuitiv schon immer getan haben und geholfen hat.

Ideen zur Unterstützung:
  • Halten Sie Kontakt zu Ihrem Kind – sowohl über die Augen als auch durch Berührung, Hand halten oder Umarmung. Lächeln kann Wunder bewirken.

  • Unterstützen Sie das Kind durch Beruhigung, machen Sie Mut und zeigen Sie Verständnis.

  • Vermitteln Sie positive Gedanken und Gefühle

  • Kuscheleinheiten nach jedem bewältigten Abschnitt

  • Entspannungsübungen, Fantasiereisen und Atemübungen können je nach Alter, angeleitet, eine gute Unterstützung sein. Das wirkt sich gleichzeitig auch positiv auf Sie selbst aus.

  • Loben Sie Ihr Kind und schaffen kleine Belohnungen für danach.

Das Kinderpalliativzentrum der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln ist spezialisiert auf den Umgang und die Therapie mit Schmerzen bei Kindern mit Epidermolysis bullosa. Die Vermeidung von Schmerzen, von Stress und Angst sowie der Einfluss der Schmerzwahrnehmung werden hier professionell umgesetzt und Eltern und Patient/innen ambulant und stationär geschult.

Weitere ausführliche Informationen zu diesem Thema finden Sie im EB-Handbuch des EB-Hauses in Österreich.

Eine sehr ausführliche Broschüre zu diesem Thema „Wie können wir Schmerzen vermeiden“ und ein Video finden Sie auf den Seiten des Kinderpalliativzentrums Datteln.

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